www.antworten.de
1997 (mit Max Kossatz, Wien)
- HTML Seiten, Grafikdatein, CGI Skripte, Cron Skripte, Backup Festplatte
- Im Besitz der Sammlung Hannelore und Hans Dieter Huber, Stuttgart
www.antworten.de

Bei der vorliegenden Präsentation von "www.antworten.de" handelt es sich um eine Dokumentation der Netzarbeit. Die Entscheidung zu dieser Präsentationsform leitet sich aus dem Gesamtkonzept der Ausstellung ab, Holger Frieses Arbeiten der letzten acht Jahre komplett zu präsentieren und darüber hinaus ihren Hintergrund zu dokumentieren. Es wird sowohl die Online-Dokumentation des Künstlers präsentiert, als auch ausgedruckte Emails und Loggfiles, die Festplatte, der Kaufvertrag, ein Porträt, der ursprüngliche Seth- Sigelaub- Künstlervertrag und der Domaineintrag sowie eine Magister Arbeit von Guido Hirschsteiner. "Antworten erscheint dem User als ein Programm, das auf individuellen Zugriff zugeschnitten ist, und suggeriert damit, über die Email-Funktion hinausgehend, die individuelle und persönliche Beantwortung von Fragen unbestimmter Art." (Guido Hirschsteiner) Die Arbeit reflektiert das Internet und die Erwartungshaltung der Benutzer, Käufer und Produzenten. Die Seite wird von ca. 25.000 Personen pro Monat besucht. Sie erscheint weder in einem Kunstkontext, noch wird ihre Funktionsweise explizit erklärt. Auch lassen sich keinerlei Hinweise auf die Intention des Produzenten erkennen. So erschließt sich der Besucher selbst den Sinn der Seite durch seine individuelle Interaktion und Interpretation. Derjenige, der die Möglichkeit der Interaktion, dem Verfassen und Abschicken einer Email an die Adresse "fragen@antworten.de" wählt, sendet Fragen ohne damit Aufschluss zu gewähren, ob er tatsächlich an das System glaubt. Die versendeten Emails bleiben dem Benutzer der Seite im Internet verborgen. Er erhält weder die ersehnte Antwort, noch werden die Emails der anderen Benutzer sichtbar. Im Ausstellungskontext werden einige ausgewählte Emails präsentiert. Sie erlauben dem Betrachter dieser Dokumentation, einen intimen Einblick auf das Verhalten der Rezipienten. Es wird deutlich, dass die Seite von etwa 90% der Besucher unkritisch aufgenommen wird. Die sogenannten Loggfiles, die Zugriffsstatistiken geben sowohl Auskunft über die Struktur der Seite als auch über das Verhalten der Benutzer. Darüber hinaus dechiffrieren sie die Arbeit als ein künstlerisches Projekt. Dem Benutzer werden hier Informationen offen gelegt, die ihm üblicherweise verborgen bleiben. 1998 hat Holger Friese die Arbeit "www.antworten.de" an Prof. Hans Dieter Huber verkauft. Dies lässt sich als Reaktion auf den in verschiedenen Medien geführten Diskurs über die Marktfähigkeit von Netzkunst sowie deren Integration in den konventionellen Kunstbetrieb deuten. Der Kaufvertrag wurde auf Grundlage von Seth Siegelaubs "the artist's reserved rights transfer and sale agreement" von 1971 geschlossen. Er beinhaltet u.a., dass "am Werk ein Hinweis über das Vorhandensein dieses Vertrages dauerhaft anzubringen" ist. Die Festplatte und die Domain, repräsentiert durch den Domaineintrag in der Datenbank des DENIC (Domainverwaltungs- und Betriebsgesellschaft eG) stellen den verkäuflichen Teil des Werkes dar. Die Frage nach dem Verhältnis von Original und Kopie beantwortet Holger Friese folgendermaßen: "das eigentliche Kunstwerk besteht nicht aus irgendeiner physischen Datenstruktur auf einem Datenträger wie einer Festplatte, sondern das Original ist eigentlich der Domainname, weil es jeden Domainnamen im Internet nur einmal geben kann. Dadurch wird die Arbeit zum Original." Das Porträt zeigt den Gewinner eines Puppenwagens aus der TV-Show "Der Preis ist heiß". Es stammt aus einer Fotoserie von 1991, bei der Holger Friese einen Monat lang die Gewinner vom Fernsehbildschirm abfotografiert hat. Dieses Bild wurde schon auf vorangegangenen Ausstellungen in Zusammenhang mit "www.antworten.de" gezeigt. Der Künstler ordnet das auf Aluminium aufgezogene schwarz/weiß Foto dem Werk stets wie nebensächlich herumstehend zu. Die Online-Dokumentation "www.502.org/antworten" ist Teil der Seite der Homepage von Holger Friese und dokumentiert "www.antworten.de" ausführlich. Sie stellt weiterführende Informationen zur Arbeit bereit und gibt dem Besucher so die Möglichkeit, einen tieferen Einblick in die Funktionsweise, Technik und die Absicht der Arbeit zu gewinnen. Der New Yorker Galerist Seth Siegelaub hat den Vertrag "the artist's reserved rights transfer and sale agreement" gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Bob Projansky 1971 entworfen und auf der Documenta 5, 1972 präsentiert. Absicht war es, verbindliche Standards bei Verkäufen zeitgenössischer Kunst festgelegt werden, sogenannte Nachfolgerechte, die eine gewisse Kontrolle von Seiten des Künstlers auch nach dem Verkauf eines Werkes über dieses gewährleisten sollten. Darin enthalten: das Recht, über die Ausstellung des Objektes in Kenntnis gesetzt zu werden, ein Veto gegen diese Beteiligung einlegen zu können und 15% des jeweiligen Wertzuwachses bei einem Weiterverkauf zu erhalten. Durch internationale Promotion, die Übersetzung des Vertrages in vier Sprachen und mehrfache Publikation desselben, wurde er zu einem stehenden (allerdings umstrittenen) Begriff in der Kunstwelt. Die Magisterarbeit von Guido Hirschsteiner mit dem Titel "Netzkunst als Avantgarde", vorgelegt im September 2002, untersucht exemplarisch an "www.antworten.de" Netzkunst und ihr Verhältnis zur Avantgarde.